Das Kriegstagebuch des Alfred H. Fried

Bern, 20. Juni.

Das rumänische Parlament ist in Jassy eröffnet worden. Die Eröffnung verlief, wie das Wolffsche Bureau meldet, «in durchaus ruhiger und würdiger Weise». Man hebt das hervor, hat es also anders erwartet. Der König wurde mit Beifall begrüßt und bei einzelnen Stellen seiner Rede mit jubelnder Zustimmung unterbrochen. Als ob nichts geschehen wäre. Auch von der «Wiederherstellung unserer Freundschaft, wie sie in der Vergangenheit bestand», mit den Zentralmächten nämlich, war die Rede. Warum auch nicht. Das Rechenexempel ist ja nicht gar so schlecht. Die «Frankfurter Zeitung» (18. Juni) stellt es in folgender Weise auf:

«Lauf neuester Statistik beträgt die gegenwärtige Bevölkerung Rumäniens inklusive Bessarabiens 8 775 000 Einwohner. Nach den bisherigen Berechnungen belaufen sich die Verluste der moldauischen Hälfte Rumäniens infolge des Kriegs (einschließlich der Verluste infolge der Kriegsseuchen) auf 800 000 Menschen. Durch die Grenzrektifikationen verliert Rumänien 725 000 Menschen, gewinnt aber durch die Union mit Bessarabien eine Bevölkerung von zweieinhalb Millionen Menschen.»

Also welch gutes Geschäft! Will man etwa in Deutschland auch solch eine Bilanz aufstellen und das durch die Erschlagenen entstandene Manko mit der Bevölkerungszahl der Randstaaten ausgleichen? —Das fehlt noch, der Menschheit weis zu machen, dass sie nach diesem Blutbad an Kopfzahl zugenommen hat. Alle diese Kunststücke der Bilanzenzieher des Kriegs müssen versagen.